Alsdann stehen sie erneut in meiner Zelle. Setzen mir eine Pistole an die Schläfe. Spannen den Hahn. Sie treiben mit mir ihre Possen. Lachen. Tun so als ob. Dann schlagartig drücken sie ab. Ich zucke zusammen. Verzweifelt. Schließe blitzartig die Augen. Vor Angst. Ich zittere am ganzen Leib. Aber sie lachen wieder. „Hast Glück gehabt“, höhnen und hohnlachen sie. „Diesmal war keine Patrone drin!“
Ich, Europa und der Stier
Der Schriftsteller Günter Grass hat sein gesamtes Schaffen gegen Hass und Ausgrenzung gestellt. Nur deswegen war er für mich interessant. Nicht wegen dem Nobelpreis der ihm verliehen wurde! Nicht wegen seinem literarischen Können, seinem Schreibstil. Den haben andere untersucht. Der war für andere wichtig! Nur wegen seiner klaren, ablehnenden Haltung zu jeglicher Form der Diskriminierung habe ich seine portugiesische Biographie geschrieben. Um Leute hierzulande zu beeinflussen. Eine Biographie macht für mich nur Sinn, wenn man aus dem Leben dieser Person etwas lernen kann. Das Leben als moralisches Vorbild. So kann man es machen. Oder nicht. Eine Hitler-Biographie hätte ich demnach auch schreiben können. Aber ich wollte positiv beeinflussen. Nicht durch ein negatives Beispiel. --- Deswegen habe ich Ödön von Horváths Jugend ohne Gott ins Portugiesische übersetzt. ‚Auch die Neger sind doch Menschen!‘, schreibt Horváth. --- Auch meine fiktive Autobiographie K/ein Leben vor dem Tod habe ich deswegen veröffentlicht. Ich habe lange damit gekämpft, das Buch zu veröffentlichen. Zu viel von mir selbst steckt in diesem Buch. Aber am Ende habe ich es verkürzt herausgegeben. Und es war Gott sei Dank ein kleiner, sehr bescheidener Erfolg. Zwei Auflagen. Im selben Jahr. Inzwischen ist es wieder vergriffen. Ich hoffe damit, einige Jugendliche beeinflusst zu haben. --- Aber kann Literatur das überhaupt? --- Zu guter Letzt meine Arbeit über John Dos Passos. Immer ging es in meinen Schriften über Dos Passos um Migration. Um Antisemitismus. Um den Rassenwahn in den USA. Um die Hindernisse, die Schwierigkeiten, um das bittere Leid der Migranten. Um deren Ängste und Nöte. Um die von John Dos Passos geforderte Chancengleichheit. Um die Doppelseitigkeit von Integration. Der Einwanderer muss sich integrieren wollen. Das ist schon richtig. Aber einseitig geht das nicht. Die Aufnahmegesellschaft muss diese Integration annehmen.
From a Man without a Country to an American by Choice: John Dos Passos and Migration
When the Nazis occupied the Netherlands in 1940, 4,300 Sephardic Jews tried to escape deportation to the concentration camps by claiming to have Portuguese ascendancy. The Nazis contacted Salazar, to know if the Portuguese dictator was interested in exchanging the Jews against the much-needed wolfram to harden steel fabricated in the German armament industry. Yet, Salazar was all but enthusiastic about it. He negotiated hard to export the less amount of wolfram possible in exchange of the maximum numbers of German weaponry and gold. To give in to the Nazis, by showing interest in the Jews of Portuguese ascendancy, would have meant to jeopardize the whole negotiations. However, when Salazar received a telegram with Portuguese Jewish names listed that were deported to the concentration camps, Salazar sent immediately for the German ambassador in Lisbon. The latter explained that if the Jews had Portuguese passports they had nothing to fear. They would be allowed leave, since Portugal was a neutral country. Yet, those that were Dutch, and only had Portuguese ascendancy, were considered enemies and were thus deported and annihilated. Yet, if Salazar was so much interested in the Jews, it was stressed, the wolfram-deal with Portugal could have been re-negotiated. Portugal would get the Sephardic Jews for the wolfram deliveries. Salazar strictly declined this attempted blackmail. Moses Amzalak, the President of the Jewish community in Lisbon, and Salazar’s council on the matter, claimed that the Portuguese dictator had wet eyes when the German ambassador left. To be true, António de Oliveira Salazar was not anti-Semitic even though he did not help these Jews. Their lives it seems were not as much worth as the German arms and the Nazi Raubgold (stolen valuables, among them gold, as the Opfergold—the gold that belonged to the victims of National Socialism), which was traded for wolfram instead of the Reichsmark that during the time of war had suffered from raging hyperinflation. On the other hand, those Jews that had succeeded to flee to Portugal were welcomed in the country. Actually, in January 2, 1943, Salazar ordered the legalization of the Jewish refugees that were living in Portugal in the condition of illegal immigrants. Some of them went to live at Ericeira, where the local population greeted them, what essentially annoyed the German spies in the country. Salazar wanted to avoid any political tensions with Nazi Germany whose declared aim it was to exterminate the Jews not only in its Reich but also in Europe. Thus, when Aristides de Sousa Mendes, the Portuguese consul at Bordeaux, gave out visas for thousands of Jewish refugees, Salazar dismissed him from his post. The Portuguese dictator was afraid to put at risk his good economic relations with Hitler’s Reich. In addition, Salazar had been alarmed that some of the refugees to whom Mendes authorized indiscriminatingly entry were adherent to a “communist philosophy.”
Vom Scheitern eines Traums
„John Randolph Dos Passos heiratet Mary Dyckman Hays, eine Amerikanerin, mit der er zusammen einen Sohn haben wird, Louis Dos Passos. Doch die eheliche Beziehung geht früh zu Bruch. Jedoch kann es sich der Star-Anwalt der Wall Street aus Reputationsgründen nicht leisten, sich von Mary Dos Passos scheiden zu lassen. Er lernt Lucy Madison kennen, in die er sich verliebt und mit der er ebenfalls einen Sohn haben wird. John Madison wird in Chicago am 18. Januar 1896 geboren. Er trägt nicht den Nachnamen seines Vaters, um jeden Skandal zu vermeiden. John Randolph bittet seine Geliebte mit dem gemeinsamen Sohn nach Europa (Brüssel) zu ziehen. Immer, wenn er könnte, würde er zu ihr reisen; eine Beziehung mit ihr in den USA, wo auch immer, hielt er für zu gewagt, in Europa hingegen könnte er sich öffentlich mit ihr zeigen, weil ihn dort niemand kannte. Lucy Madison lebt mit ihrem Sohn in den vornehmsten Hotels. Jedoch wird dieser eines Tages anklagend schreiben, er hätte eine „Hotel Childhood“ und damit kein richtiges Zuhause gehabt. „What a horrible childhood... A hotel childhood and being a double foreigner to all the little English boys wearing their schoolcaps and special neckties: A Man Without a Country. Was it [...] the foreign speech or the lack of a home that made him so awkward, tonguetied, never saying the right word, never managing to do the accepted thing at the accepted time.“
Kein Leben vor dem Tod
Er schnellt plötzlich hoch. Sie liegt neben ihm. Britta streicht ihm die Finger durchs Haar. »Bleib ruhig liegen!«, hört er ihre sanfte Stimme. »Es war nur ein böser Traum.«
Sie lehnt sein Gesicht ganz dicht an ihre nackte Brust. Sein Atem wird langsamer. Er beruhigt sich jetzt. Hier fühlt er sich sicher. Er küsst ihre Brust. Er liebt den Geruch ihrer Haut.
Die Augen versucht er offen zu halten. Obwohl er so müde ist.
Die Augen. Auf. Nicht um sie zu sehen. Ihre Brüste. Die er mit den schmalen Lippen erkundet. Er hat Angst sie zu schließen. Die Augen. Die Lippen um ihre rosig-braune Warze.
Er sieht das Mädchen. Auf der Straße. Mitten auf der Fahrbahn stehen. Alles so plötzlich. Keine Zeit zu bremsen. Die Scheinwerfer zerbrechen. Es knallt fürchterlich. Scheppert. Ein Körper fällt dumpf zu Boden. Stumm. Der Motor geht aus. Asphalt. Asphalt.
Blut und Fieber verschmiert.
Der Krankenwagen kommt. Nach einer halben Ewigkeit.
Zuerst kommt: der Tod.
Er fängt an zu weinen. Weil er sich verloren fühlt. In Mitten all der Nacht. Weil der Tod kommt. Und sie mit sich reißt. Ein junges Mädchen.
Wieso hat er nur nicht gebremst? Drei Sekunden hätten doch reichen müssen. Hätte er doch nur gebremst.
Keine Zeit. Keine drei Sekunden. Da war die Kurve. Und plötzlich sie. Und das Schicksal stand hinter ihr. Und hielt sie vor sich. Fest im Griff. An den Schultern.
Nur ein Gesicht. Kurz gesehen. Dann ein Sturz. Dann hört er den Knall. Auf der Fahrbahn. Asphalt. -----